100 Jahre Mieterschutz in Deutschland

Festveranstaltung des Deutschen Mieterbundes in Berlin

 

(dmb) „Mieterschutz, das heißt der Schutz vor grundlosen Kündigungen und willkürlichen Mieterhöhungen, ist der Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält. Mieterschutz stellt sicher, dass das Wohnen zur Miete kein Wohnen zweiter Klasse ist“, sagte der Präsident des Deutschen Mieterbundes (DMB), Dr. Franz-Georg Rips, im Rahmen einer Festveranstaltung in Berlin, auf der an 100 Jahre Mieterschutz in Deutschland erinnert wurde. „Heute ist der Mieterschutz in unserem sozialen Mietrecht fest verankert. Das bedeutet weitgehend Waffengleichheit zwischen Vermietern und Mietern. Unsere Aufgabe ist es, Angriffe marktliberaler Kreise auf diesen Mieterschutz abzuwehren und das soziale Mietrecht fortzuentwickeln. Mieterschutz steht auch nach 100 Jahren weiterhin ganz oben auf der Tagesordnung.“

 

1917 war die Geburtsstunde des Mieterschutzes

Als im Jahr 1900 das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) in Kraft trat, konnte von Mieterschutz keine Rede sein. Mietererhöhungen waren nur durch den Wucherparagrafen begrenzt, Kündigungen jederzeit möglich. Erst die Verwerfungen des Wohnungsmarktes, die unerträgliche Schutzlosigkeit der Mieter und die katastrophalen Auswirkungen des Ersten Weltkrieges ließen die damalige Reichsregierung handeln und Mieter vor Willkür schützen.

Am 26. Juli 1917 wurde eine Mieterschutzverordnung erlassen. Den Landeszentralbehörden wurde die Befugnis eingeräumt, Mieteinigungsämter zu ermächtigen, über die Wirksamkeit einer Vermieterkündigung, über die Fortsetzung des gekündigten Mietverhältnisses und seine Dauer sowie über eine Erhöhung des Mietzinses im Falle der Fortsetzung zu bestimmen. Diese Regelungen wurden durch weitere Verordnung 1918 und 1919 ausgebaut und so Grundstrukturen des heutigen Systems des Mieterschutzes geschaffen.

 

Kündigungsschutz- und Miethöheregelungen sind siamesische Zwillinge

Der Kündigungsschutz dient dem Bestandsschutz und hat im Laufe der Zeit eine weitreichende Bedeutung erlangt, nämlich den Schutz des Lebensmittelpunktes nach dem Grundsatz: Der vertragstreue Mieter ist grundsätzlich, von Ausnahmen abgesehen, vor Kündigungen geschützt. Der Schutz gilt vor allem für Änderungskündigungen zur Erzielung höherer Mieteinnahmen.

1971 wurde mit dem Gesetz über den Kündigungsschutz für Mietverhältnisse über Wohnraum die Kündigung zum Zweck der Mieterhöhung ausdrücklich ausgeschlossen. Aus verfassungsrechtlichen Gründen hat der Gesetzgeber dem Vermieter als Kompensation für dieses Verbot der Änderungskündigung ein rechtsstaatliches Verfahren zur Erhöhung der Miete zur Verfügung gestellt und das Konstrukt der ortsüblichen Vergleichsmiete in seiner heutigen Form geschaffen. Danach ist der Vermieter berechtigt, in bestehenden Mietverhältnissen die Miete auf die Vergleichsmiete anzuheben. Die ortsübliche Vergleichsmiete wird als Mittel zum Zweck, nämlich einen Ausgleich zwischen dem Interesse des Vermieters an der Rentabilität des Hausbesitzes und dem Interesse des Mieters, die Wohnung nicht wegen einer unangemessenen Miethöhe aufgeben zu müssen, akzeptiert.

 

Mieterschutz und Verfassung

Im Jahr 1989 hat das Bundesverfassungsgericht das Besitzrecht des Mieters an seiner Wohnung unter den Eigentumsschutz des Artikels 14 Grundgesetz gestellt. Das Bundesverfassungsgericht sieht die Wohnung für jedermann als Mittelpunkt seiner privaten Existenz. Der Einzelne sei auf ihren Gebrauch zur Befriedigung elementarer Lebensbedürfnisse sowie zur Freiheitssicherung und Entfaltung seiner Persönlichkeit angewiesen. Der Großteil der Bevölkerung könne zur Deckung des Wohnungsbedarfs jedoch nicht auf Eigentum zurückgreifen, sondern sei gezwungen, Wohnraum zu mieten. Das Besitzrecht des Mieters erfülle unter dieses Umständen Funktionen, wie sie typischerweise dem Sacheigentum zukommen. Dieser Bedeutung der Wohnung habe der Gesetzgeber mit der Ausgestaltung des Besitzrechts Rechnung getragen. Es stelle eine privatrechtliche Rechtsposition dar, die dem Mieter wie Sacheigentum zugeordnet ist.

„Prüfungsmaßstab für das Mietrecht sind heute konkret Artikel 1 und 2, 13 und 14 des Grundgesetzes sowie das Sozialstaatsprinzip des Artikels 20 Absatz 1 Grundgesetz. Verfassungsrechtlich gesichert ist der Schutz vor willkürlichen Kündigungen, der Schutz vor Änderungskündigungen über den Weg der Mieterhöhung und das Vorliegen eines berechtigten Interesses als Kündigungsgrund“, erläuterte Dr. Franz-Georg Rips.

 

Mieterschutz bleibt auf der Tagesordnung

Angesichts zunehmender Tendenzen in der Rechtsprechung, das Kündigungsrecht des Vermieters immer stärker auszuweiten, besteht Handlungsbedarf. „Wir fordern folgende Klarstellungen bzw. Ergänzungen“, erklärte Mieterbund-Präsident Rips:

  • Die im Gesetz aufgeführten Kündigungsmöglichkeiten sind abschließend. Eine Kündigung darf nur in Betracht kommen bei einer schweren Vertragsverletzung des Mieters, bei Eigenbedarf des Vermieters oder bei der Hinderung einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung.
  • Klarzustellen ist, dass Eigenbedarf eine dauerhafte Nutzung als Wohnung zu Wohnzwecken voraussetzt. Der Kreis der Personen, für die Eigenbedarf geltend gemacht werden kann, ist einzuschränken.
  • Der Vermieter muss freistehende Wohnungen im Haus bzw. ihm gehörende freistehende Wohnungen vorrangig für seinen geltend gemachten Eigenbedarf nutzen bzw. er muss diese Wohnungen dem gekündigten Mieter als Ersatz anbieten.
  • Die Folgen einer fristlosen und einer ordentlichen Kündigung wegen Zahlungsrückständen sind anzugleichen. Durch Nachzahlung der offenstehenden Mieten muss der Mieter nicht nur die fristlose, sondern auch die ordentliche Kündigung gegenstandslos machen und deren Folgen verhindern können.

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