Wartelisten und lange Wartezeiten für frei werdende Wohnungen bei den Baugenossenschaften und steigende Mietpreise, die im Mietspiegel dokumentiert werden, zeigen den Ernst der Lage. Daran habe auch die erfreulich hohe Wohnungsbautätigkeit in Radolfzell wenig geändert, stellt Weiss fest.
Der Mieterbund kritisiert daher die Äußerungen des Fachbereichsleiters der Stadt für Stadtplanung und Baurecht, Thomas Nöken als „Beschönigung der Lage“. Dieser hatte im Gemeinderat gesagt, Radolfzell habe mit einem Wert von 101,6 Prozent eine leichte Überversorgung an Wohnungen erreicht. Der Mieterbund hat die Zahlen von Nöken überprüft. Sie stammen, so Günther Weiss, aus einem Gutachten des Forschungsinstituts Empirica für die Landesregierung, das 2019 veröffentlicht wurde. Empirica stellte damals in Radolfzell einen angespannten Wohnungsmarkt fest. Auf dieser Grundlage habe die Landesregierung in Radolfzell die Mietpreisbremse in Kraft gesetzt, erläutert Weiss.
Im Gutachten wurden fünf verschiedene Kriterien zur Beurteilung einer angespannten Wohnungsmarktlage untersucht, vier der fünf Kriterien trafen auf Radolfzell zu. Auch der von Nöken zitierte Wert sei keineswegs gut, so Weiss. Denn diese Zahl ignoriere, dass für Umzug und Renovierungen Wohnungen eine gewissen Zeitraum leer stehen müssen. Experten gingen daher von einer notwendigen Reserve von drei Prozent aus.
Der Mieterbund Bodensee fordert schon lange ein Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum in Radolfzell und hat dies bereits mehrfach von Oberbürgermeister Staab gefordert. „Gerade in touristisch interessanten Innenstädten wie in Radolfzell gibt es einen erheblichen Verdrängungsrdruck: Touristen und Vermietungsportale vertreiben Mieter,“ hat Günther Weiss beobachtet. Daher begrüßt der Verband, dass der Gemeinderat nicht auf die Rechnereien der Verwaltung hereingefallen sei. Nökens Aussage, es gebe keine Rechtsgrundlage für ein Zweckentfremdungsverbot, sei „unhaltbar“.
Vor Jahren habe die Stadt Radolfzell beschlossen, eine eigene Wohnungsmarktanalyse in Auftrag zu geben. Dies sei bis jetzt nicht erfolgt. „Es ist kein Wunder, dass Radolfzell falsche Schwerpunkte im Wohnungsbau setzt.“, kritisiert Günther Weiss.